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Für die Reha stimmenEine Reha hilft vielen Patientinnen und Patienten zurück ins Leben, zum Beispiel nach einer schweren Krankheit. Dabei spielt die Physiotherapie eine zentrale Rolle. Sie stärkt den Körper, macht ihn wieder beweglich – und fördert auch den Lebensmut und die Lebensfreude. Wir haben den Physiotherapeuten Heinz Gaier einen Vormittag lang bei seiner Arbeit in der Allgäuer Klinik Schwabenland begleitet.
8 Uhr 30 – wogend ins Gleichgewicht
9 Uhr – bissl a Bewegung für die Gelenke
10 Uhr – die etwas andere Wandergruppe
Der Wartebereich vor der Gymnastikhalle ist schon voll belegt: 13 Patientinnen und Patienten, allesamt im Rentenalter, warten mit gelben Klinik-Taschen in der Hand oder um den Hals auf den Beginn ihrer Reha-Therapiestunde. Aufregung und leises Gelächter füllen das lichtdurchflutete Atrium. Da erschallt ein lautes „GUTEN MORGEN!“ und ein dynamischer Mann schießt um die Ecke. „I bin der Herr Gaier! Und jetzt geht los!“ Unter lautem „Oh“ und „Ah“ lotst er die Wartenden in die kleine Turnhalle gegenüber und weist sie an, mit Sitzhockern einen Kreis zu bilden.
Heinz Gaier ist Physiotherapeut aus Leidenschaft. Seit vier Jahren macht er in der Allgäuer Klinik Schwabenland in Neutrauchburg Patientinnen und Patienten nach Herz- oder Krebsbehandlungen wieder fit. „Mein Job bedeutet mir alles“, sagt der 53-Jährige, der während der Woche nahe der Klinik lebt und nur am Wochenende die 80 Kilometer zu seiner Familie nach Hause fährt.
„Jetzt machen wir erstmal einen schöneren Kreis, der hier sieht ja aus wie ein Ei mit Dellen“, ruft Heinz Gaier in die Runde. Die Patientinnen und Patienten rücken auf ihren Hockern zu einem ordentlicheren Rund zusammen; Gaier holt inzwischen eine lange Stange mit bunten Gummiringen darauf. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen die Ringe zwischen sich und schließen so einen Kreis. Heinz Gaier fordert alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf zu stehen. Anschließend heben und senken sie in langsamen Wellenbewegungen die Arme. Woge für Woge stärken sie so den Gleichgewichtssinn.
„Ganz leichter Wind“, kommentiert Gaier, als er sieht, dass einige Patientinnen und Patienten ins Straucheln geraten. „Wir haben noch keine Sturmstärke! Die Wurzeln sind fest im Boden verankert.“ Dann bittet er um Ausfallschritte, links, links, rechts, vor, zurück. Diese Übung ist eine Herausforderung für viele der älteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer, doch an den Ringen halten sie einander schön aufrecht. Sturzprophylaxe sei der Sinn des Ganzen, erklärt Gaier: „Verhinderung und Verminderung der Gefahr, auf die Nase zu fallen.“ Nach einigen weiteren Übungen und zweimal Pulsmessen sind die 30 Minuten der Therapieeinheit schon wieder vorbei.
Nach einem Raumwechsel in Turbogeschwindigkeit geht’s für Heinz Gaier schon weiter mit einer Gruppe von geringer Belastbarkeit, wie er sie nennt. Mithilfe von kleinen Hirsesäckchen will er Körper und Geist der Patientinnen und Patienten in Bewegung bringen – in der Physiotherapie nennt man das: mobilisieren und kognitiv ansprechen. „Bissl a Bewegung reinkriegen in die Gelenke“, erklärt Gaier, der nach der Selbstständigkeit in die Reha-Klinik nach Neutrauchburg gewechselt hat. „Hier kann ich mein ganzes Therapiespektrum anwenden und habe therapeutische Freiheit, anders als in den Praxen. So kann ich den Menschen bestmöglich helfen“, erzählt der Physiotherapeut.
Unter Gaiers Anleitung schwenken die Patientinnen und Patienten die Hirsesäckchen mit den Armen vor und zurück, werfen sie leicht hoch und wiegen sie in den Händen. Die meisten von ihnen sind gerade erst aus dem Akutkrankenhaus gekommen und müssen z. B. nach einer Vollnarkose oder gar einem künstlichen Koma zu einer ausgewogenen Wahrnehmung zurückfinden. „Machen wir ein kleines Spielchen“, fordert Heinz Gaier sie dafür heraus. „Gelb ist Zitrone, Blau Pflaume und Grün Kiwi. Wenn ich die jeweilige Frucht ansag‘, strecken alle, die so ein Kissen haben, den Arm nach vorne.“ Dann geht es im Wechsel: Gelb, Grün, Blau, Gelb und am Schluss gibt es dann unter kräftigem Kissenschütteln „OBSTSALAT!!“. Einige der älteren Menschen geraten ins Schwitzen, sie atmen schwerer, manch einem fallen sogar die Augen leicht zu. „Das ist ganz normal, Reha ist kein Erholungsurlaub. Hier werden die Leute genau so weit gefordert, wie sie können“, sagt Heinz Gaier.
Heinz Gaier ist schon wieder unterwegs zum nächsten Trainingstermin – diesmal auf dem Außenplatz hinter der Klinik. „Mein Tag ist in kleine 30 Minuten-Häppchen aufgeteilt. Ich gebe 16 verschiedene Therapien am Tag, darunter Einzel- und Gruppengymnastik, Geh- und Lauftraining, Lymphdrainage, Schwimmen und Atemtherapie.“
Als er am Sportplatz ankommt, hat sich die „Wandergruppe“ schon in der Sonne versammelt und erwartet ihn. Mit einem begeisterten Ausruf holt der Physiotherapeut eine riesige Stoppuhr aus einer großen Tasche, stellt sie sorgfältig neben den Patientenakten auf seinem Trainertisch auf und tätschelt sie zufrieden. Dann ruft er die Patienten auf: „Frau V.: zwischen roter und gelber Linie 15 Runden. Herr G. zwischen Grün und Rot 10 und Frau M. zwischen Weiß und Blau 10!“ Das Trainingsprinzip ist dabei, dass die Patientinnen und Patienten zwischen den farbigen Linien auf dem Sportplatz mehrere Runden zu je einer Minute absolvieren sollen – individuell angepasst an ihren persönlichen Fitnessgrad. Und je weiter außen sie gehen sollen, desto länger ist die Strecke und desto schneller müssen sie laufen, um die Umrundung in einer Minute zu schaffen. Das Ziel ist es, das erlernte individuelle Gangtempo im Alltag optimal umzusetzen.
Heinz Gaier läuft jetzt entschlossen voraus und das Grüppchen hinterher. Die Uhr auf dem Trainertisch tickt laut, während alle sehr konzentriert ihre Runden gehen. Als eine Dame um die letzte Kurve biegt, ächzt sie leise „acht“. Auch andere Teilnehmer des Grüppchens sind außer Atem, das Herz-Kreislauf-Training scheint zu funktionieren. „Klingelingeling! Letzte Runde!“, ruft Heinz Gaier und entlässt dann, nachdem er wieder Puls und Leistung von allen dokumentiert hat, neben den anderen Wanderern auch Frau V., die ihm kurz zuvor gestanden hat: „Ich kann nicht mehr.“ Und dann ist er auch schon wieder auf dem Sprung, denn die nächste Therapiegruppe wartet bereits.