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Für die Reha stimmenJacqueline Laruelle hat es in ihrem Leben nicht immer einfach gehabt. Eine angeborene Spastik und ein langer OP-Marathon haben ihr in den letzten Jahren viel abverlangt. Trotzdem hat sie eines nie verloren: ihre positive Einstellung zum Leben.
Warme Sonnenstrahlen durchfluten das Schwimmbad im Passauer Wolf Reha-Zentrum Bad Gögging. Ein sanftes Plätschern hallt von den Wänden. Die Luft ist feucht und warm. Es ist 11:30 Uhr: Zeit für Wassergymnastik. Mühelos bewegt sich Jacqueline Laruelle durch das Wasser. Kleine Wellen kräuseln sich und schwappen über den Rand. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht setzt sie einen Fuß vor den anderen und dreht Runde um Runde im Becken. Was auf den ersten Blick so unbeschwert wirkt, war nicht immer selbstverständlich. Denn noch vor einigen Jahren stand sie kurz vor einem Leben im Rollstuhl.
Jacqueline Laruelle wird mit einer Spastik geboren, die sie auf Zehenspitzen und mit nach innen gerichteten Knien laufen lässt. Lange Zeit kommt sie gut damit zurecht. Doch während sie als Kind aktiv ist, sich viel bewegt und die Spastik so im Griff hat, verändert sich das im Erwachsenenalter. Die Bewegungsmöglichkeiten werden weniger, der orthopädische Verschleiß jedoch immer mehr. Schließlich beginnt sie sich 2015 über mögliche Behandlungsoptionen zu informieren. Die darauffolgenden Jahre werden zum OP-Marathon: Sie unterzieht sich insgesamt neun Eingriffen, von Muskel- sowie Sehnenoperationen und Knochenkorrekturen bis hin zu Anpassungen von Oberschenkeln und Füßen. Nach jedem der Eingriffe darf sie sechs bis zwölf Wochen nicht laufen. Eine Herausforderung, die Geduld und Durchhaltevermögen verlangt. Trotzdem kämpft sich die 37-Jährige immer wieder auf die Beine und zurück ins Leben.
Ein Ort, an den sie in diesen Jahren immer wieder zurückkehrt, ist der Passauer Wolf Bad Gögging. Insgesamt sieben Reha-Aufenthalte verbringt sie hier. Der Grund, warum sie stets gerne zurückkommt, sind die Menschen. „Es ist jedes Mal ein großes Wiedersehen und wie eine kleine Familie hier. Das Personal kennt mich gut. Es geht gleich da weiter, wo ich zuletzt aufgehört habe. Die Reha ist kein Pflichtprogramm für mich. Stattdessen ist es spannend zu sehen, wie weit man gehen kann“, erzählt sie. Mittlerweile sind sogar richtige Freundschaften entstanden. So auch mit Manuela Knorz. Sie ist Sporttherapeutin im Passauer Wolf Bad Gögging und begleitet Jacqueline Laruelle bereits seit sechs Jahren auf ihrem Weg. „Viele lassen sich sehr von ihrer Krankheit einschränken“, stellt die Sporttherapeutin fest. „Jacqueline ist da anders. Sie ist ein lebensfroher Mensch, lässt sich nicht unterkriegen und versucht immer, ihr eigenes Ding durchzuziehen. Natürlich gab es auch mal Rückschläge, aber aus denen hat sie sich immer wieder herausgekämpft. Das bewundere ich sehr an ihr.“
Nach jeder Operation gilt es neue Herausforderungen zu meistern. Die Muskulatur muss wieder gestärkt und die normalen Gehbewegungen neu trainiert werden. „Der Kopf will zurück ins alte Muster. Deshalb musste ich wie ein kleines Kind immer wieder neu laufen lernen“, erklärt die 37-Jährige. Eine große Hilfe dabei ist der Gangroboter „Lyra“ im Passauer Wolf Bad Gögging. „Die Patient:innen werden in eine Gurthalterung eingespannt und können so die natürlichen Laufbewegungen üben. Dadurch wird das Muskelgedächtnis stimuliert und der Körper erinnert sich an die normale Gangfolge“, erklärt Manuela Knorz. Darüber hinaus bietet auch die Wassergymnastik im hauseigenen Schwimmbad optimale Voraussetzungen, um die Gehfähigkeit – gestützt durch das Wasser – zu trainieren. Eine positive Überraschung war für Jacqueline Laruelle zudem das Training an den Geräten. „Anfangs dachte ich, mit einer Behinderung ist das schwierig. Da komme ich nicht mit oder das kann ich nicht. Im Passauer Wolf Bad Gögging habe ich gelernt, dass es geht. Seitdem trainiere ich auch zu Hause zwei bis drei Mal pro Woche im Fitnessstudio.“ Heute ist sie stolz auf ihre Fortschritte: „Es gibt immer wieder diese Aha-Momente. Situationen, in denen ich merke: Wow, das konnte ich früher aber nicht.“
Von diesen Aha-Momenten – großen und kleinen Meilensteinen – hat Jacqueline Laruelle auf ihrem Weg viele erlebt. Ein besonderes Ereignis verblüfft die 37-Jährige bis heute: In einer Phase, in der sie ohne Krücken nicht laufen konnte, sprang sie plötzlich Seil. „Ich habe meine Krücken neben mich gelegt und bin einfach Seil gesprungen. Und als ich aufgehört habe, musste ich meine Krücken wieder nehmen“, erinnert sie sich. „Da habe ich gemerkt, dass ich eine Blockade im Kopf habe. Ich habe dann angefangen, mich mehr mit der Neurologie zu beschäftigen. Schließlich haben wir herausgefunden, dass sich mein Körper wohl an die Bewegung aus meiner Kindheit erinnert. Daher kennt er diesen Ablauf bereits“, erklärt sie. Heute, einige Jahre später, denkt sie noch immer gerne an dieses einmalige Erlebnis zurück. Die Erinnerung gibt ihr Kraft und den Mut, erneut daran anknüpfen zu wollen. Daher hat sie sich für die Zukunft fest vorgenommen, diese kindliche Freude an der Bewegung erneut zu erreichen. „Das haben wir uns für dieses Jahr als Ziel gesetzt und werden langsam wieder darauf hinarbeiten.“
Ein weiteres Highlight der letzten Jahre war zudem die Korrektur ihrer Oberschenkel. „Das hat allein von der Ästhetik viel ausgemacht, weil einfach dieser Behindertenfaktor wegfällt. Dieses nach innen laufen und hinken auf Zehenspitzen hat viele Menschen sehr abgeschreckt. Jetzt sieht man mich theoretisch nur noch als jemanden, der sich verletzt hat. Ich muss mir nur noch eine Geschichte ausdenken, wo. Vielleicht beim Skifahren“, scherzt die 37-Jährige und lacht. Es ist diese leichte, fröhliche Art, mit der Jacqueline Laruelle ihre Krankheitsgeschichte annimmt und die sie sich trotz ihres beschwerlichen Weges stets bewahrt hat. Ganz nach ihrem Lebensmotto: „Keep smiling“.
Jacqueline Laruelle ist eine Kämpferin. Doch der lange OP-Marathon und die gesundheitlichen Herausforderungen holen auch die sonst so positiv gestimmte Frohnatur manchmal ein. Besonders das freie Laufen ist für sie über die Jahre hinweg ein ständiges Auf und Ab. Mal funktionierte es gut, dann wieder nicht. „Natürlich gibt es auch Situationen, in denen mich alles nervt und ich trotzig reagiere. Zum Beispiel, wenn ich die tausendste Thrombosespritze bekomme. Da habe ich dann auch keine Lust mehr und sage: Jetzt reicht es. Mein Bauch ist blau“, erzählt sie offen. In solchen Momenten sei es wichtig, durch kleine Erfolge neue Motivation zu schöpfen. Außerdem findet sie Kraft und Unterstützung bei ihrer Familie. „Keep smiling. Soll ich mich verkriechen? Nein, ich bleibe lieber positiv. Ich will einfach diese Lebensfreude haben. So eine Einstellung bringt einen viel weiter.“
Auch die Geschichten anderer Patient:innen im Passauer Wolf Bad Gögging inspirieren sie in Zeiten von Rückschlägen. „Es gibt Menschen hier, die mich sehr beeindrucken. Wo ich sage: Hut ab. Wo man merkt, es gibt noch viel schlimmere Schicksalsschläge. Und das nehme ich dann auch mit nach Hause. Da kann man dann schon ein bisschen weniger jammern.“
Auch jenseits der Reha-Aufenthalte dreht sich bei der 37-Jährigen alles um Therapie und Training. Die Balance zwischen einer vollen Arbeitswoche mit 40 Stunden und den notwendigen Therapieeinheiten ist eine ständige Herausforderung. Zweimal pro Woche steht Physiotherapie auf dem Programm, ergänzt durch zweimal Krankengymnastik am Gerät und zwei bis drei Trainingseinheiten im Fitnessstudio – alles abends von Montag bis Samstag, manchmal sogar am Sonntag. »Eigentlich baue ich die Arbeit um meine Therapie. Ich setze mich jeden Sonntag hin und überlege, wie ich das alles hinkriege. Ein Plan ist da ganz wichtig«, erzählt sie. Darüber hinaus helfen ihr tägliche Bewegungseinheiten – wie der Weg in die Arbeit mit dem Fahrrad – dabei, ihre Mobilität zu erhalten und die Spastik bestmöglich im Griff zu haben.
Nach den beschwerlichen letzten Jahren blickt Jacqueline Laruelle positiv in die Zukunft. Während das freie Laufen lange ihr Fokus war, haben sich ihre Ziele heute verändert. „Für mich wäre es einfach wichtig, dass ich mit Stöcken laufen kann. Also ein bisschen mehr Flexibilität beim Gehen zu haben und relativ gut mobil zu sein. Wenn ich irgendwann wieder ohne Hilfsmittel laufen kann, wäre das schön. Aber das ist nicht mehr mein oberstes Ziel. Ich möchte mir da den Druck nehmen“, erklärt die 37-Jährige. Ein großer Wunsch für die Zukunft ist auch, wieder mehr von der Welt zu sehen und die Zeit mit ihren Liebsten zu genießen. Ob Reisen zu ihren Freund:innen nach Frankreich und Irland oder ein Urlaub in Barcelona – all das ist in den letzten Jahren zu kurz gekommen. „Und natürlich Seil springen“, fügt Jacqueline Laruelle lachend hinzu. Denn schließlich ist es wichtig, sich die Freuden im Leben zu bewahren, die einem das Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit schenken.