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15.11.2019

Wort für Wort selbstbestimmt

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Die Reha braucht Ihre Unterstützung. Geben Sie hier der Initiative „REHA. MACHT’S BESSER!“ Ihre Stimme:

Für die Reha stimmen

Zwei Drittel der Patientinnen und Patienten von Holger Grötzbach hatten einen Schlaganfall. In der Reha-Klinik in Schaufling sitzen sie ihm nun gegenüber, weil sie nicht mehr sprechen und oft auch nicht mehr schlucken können. „Das Leben, das sie bisher kannten, ist komplett vorbei“, schildert der Logopäde. Seit 31 Jahren arbeitet er in der Sprachtherapie. Mit seiner Hilfe lernen betroffene Menschen, wieder die richtigen Wörter zu finden und zu formen. Um ein Glas Wasser zu bitten und es dann leerzutrinken: Was so einfach klingt, bedeutet für Grötzbachs Patientinnen und Patienten die Rückkehr in ein gutes Leben. Hier berichtet Holger Grötzbach selbst über seine Arbeit:

Plötzlich ist die Sprache weg

„Was bedeutet es, die Sprache zu verlieren, zum Beispiel nach einem Schlaganfall? Im schlimmsten Fall kommt ein Schlaganfall-Patient im Akutkrankenhaus wieder zu sich und will etwas sagen, zum Beispiel, dass er Durst hat. Aber er merkt, er kann es nicht, die Wörter sind komplett weg. Alles was mal selbstverständlich war, ist auf einmal nicht mehr möglich. Ein riesiger Schock! Und die Folgen sind dramatisch: Hält der Sprachverlust an, dann rutschen die betroffenen Menschen langsam aber sicher in eine soziale Isolation. Das Leben, das sie bisher kannten, ist komplett vorbei.“

„DRAMATISCHE FOLGEN“

„Plötzlich nicht mehr sprechen zu können, ist das Schwerste, was unsere Patientinnen und Patienten durchmachen. Das Leben, das sie bisher kannten, ist dann komplett vorbei.“ (Holger Grötzbach, Logopäde)

Holger Grötzbach arbeitet an seinem Schreibtisch.
Holger Grötzbach leitet die Abteilung für Sprachtherapie in der Asklepios Klinik in Schaufling. Gemeinsam mit seinem Team hilft er den Patientinnen und Patienten dabei, wieder das Sprechen und Schlucken zu lernen. (Foto: Anja Prestel/BDPK)

Mit der Astronautenkost kommt die Einsamkeit

„Wenn es schwierig wird, zu kommunizieren, lässt man’s einfach. Die Patientinnen und Patienten haben keinen Mut mehr, jemanden anzusprechen. Drastisch sind auch die Folgen, wenn ein Mensch nach einem Schlaganfall nicht mehr schlucken kann. Er bekommt dann eine Magensonde gelegt und wird mit Astronautenkost ernährt. Das ist an sich schon psychisch belastend. Hinzu kommen massive soziale Folgen. Er geht nicht mehr in den Supermarkt zum Einkaufen, verabredet sich nicht mehr mit Bekannten zum Kaffeetrinken, lädt niemanden mehr zum Essen nach Hause ein. Er wird rasch einsam. `Mein Leben ist viel ärmer geworden´: Das vermitteln mir meine Patientinnen und Patienten oft.“

Wort für Wort die Selbstbestimmung zurückerobern

„Doch genau hier kann die Reha sehr helfen: Sie gibt den Menschen ihre Eigenständigkeit zurück, macht sie unabhängig von der Hilfe anderer und das Leben auch in sozialer Hinsicht wieder lebenswerter.

Zwei Drittel meiner Patientinnen und Patienten kommen nach einem Schlaganfall zu uns. In der Reha wollen sie vor allem eins: ihre Selbstbestimmung zurückgewinnen. Sie wollen wieder ohne fremde Hilfe stehen können, selbst zur Toilette gehen, ihre Intimsphäre wiederherstellen. Danach wird die Logopädie für sie wichtig: Wenn sie mit anderen Patientinnen und Patienten am gedeckten Tisch sitzen, aber nicht sprechen und nicht schlucken können.“

  • Logopäde Holger Grötzbach und eine Patientin sitzen an einem Tisch.
    Es ist nicht einfach, nach einem Schlaganfall oder einer schweren Kopfverletzung wieder sprechen zu lernen. Jeden Tag eine Stunde Sprachtherapie ist laut Holger Grötzbach wichtig für eine erfolgreiche Rehabilitation. (Foto: Anja Prestel/BDPK)
  • Eine Frau schaut auf zwei Kärtchen, die auf einem Tisch liegen.
    Holger Grötzbach übt geduldig mit seinen Patientinnen und Patienten, damit sie ihre Sprachfähigkeit verbessern können. Dafür zeigt er ihnen z. B. Motivkärtchen, die sie benennen müssen. (Foto: Anja Prestel/BDPK)
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Schere, Kamm und Löffel als Therapiegeräte

„In der Reha arbeiten wir Logopäden im Team mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachrichtungenen, zum Beispiel Neuropsychologen, zusammen. Wir versuchen gemeinsam, die geistigen Fähigkeiten der Patienten wiederherzustellen. Wir trainieren mit ihnen Gedächtnis, Konzentration und Aufmerksamkeit. Dabei achten wir auch auf die seelische Verfassung der Patientinnen und Patienten: Depressionen sind nach einem schweren Schlaganfall nicht selten.
So wie die Physiotherapie die Muskeln fordert, trainieren wir das Sprachzentrum. Zum Beispiel zeigen wir den Patientinnen und Patienten vertraute Objekte – etwa Zahnbürste, Schere, Kamm und Löffel. Sie sollen sie dann benennen. Wenn sie es auf Anhieb können, ist das natürlich am schönsten. Wenn nicht, überlegen wir zusammen. Ich frage dann: Das brauchen wir morgens im Badezimmer, um die Zähne sauber zu machen, da sind Borsten dran – was könnte das sein?´ Oder wenn das auch nicht funktioniert, lasse ich sie das Wort vervollständigen. `Hier handelt es sich um die Zahn …´ Gemeinsam graben wir verschüttetes Wissen wieder aus – und die Fähigkeit, das Wissen im Alltag einzusetzen.“

Reha: Alle Therapien unter einem Dach

„Ich arbeite sehr gerne in einer Reha-Einrichtung, weil hier alle Fachrichtungen und Angebote verzahnt sind. Die Patientinnen und Patienten finden unter einem Dach alle Spezialisten, die sie brauchen. So können wir optimal helfen. Ein Beispiel: Nach einem Schlaganfall kann ein Teil des Gesichtsfelds verloren sein. Dann kann der Patient nicht gut lesen, weil er die Hälfte der Wörter nicht sieht. Als notwendige Voraussetzung für meine Therapien brauche ich dann die Hilfe der anderen Therapeuten, die z. B. die Sehfähigkeit des Patienten trainieren. Dieses interdisziplinäre Vorgehen hat großen Erfolg. Und wenn wir dann am Ende der Reha gemeinsam unsere Ziele erreicht haben, sind die Patienten überglücklich, denn sie sind wieder Herren über ihr Leben.“

„REHA GEHT UNS ALLE AN“

„Ich finde, Reha sollte finanziell sehr viel besser ausgestattet werden. Wir brauchen mehr Geld, damit wir den Menschen auch in Zukunft zurück ins Leben helfen können. Teilweise werden heute nur eine oder zwei Wochen Reha genehmigt, das ist absurd. Und diese Entwicklung sollte keinem egal sein. Denn Reha geht uns alle an – es kann jeden treffen. Auch Sie oder mich.“

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